SPD hält an Borchert fest
Der Bundestag hat in erster Lesung den Entwurf der Koalition zur Änderung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes beraten. Die SPD will eine vollständige Umsetzung des Borchert-Konzepts. Minister Rainer will bestehende Förderprogramme für die Tierhaltung ausbauen und anpassen. Die Opposition glaubt nicht, dass die Defizite in der Tierhaltungskennzeichnung beseitigt werden. Der DRV lobt die Verschiebung der Umsetzung.
Die SPD ist offenbar nicht gewillt, sich vom Borchert-Konzept zum Umbau der Tierhaltung zu verabschieden. Das hat der zuständige Berichterstatter in der Fraktion, Jens Behrens, in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes am Freitag (6.6) im Bundestag deutlich gemacht. Der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Soest bezeichnete die mit der Vorlage angestrebte Verbesserung der Transparenz für die Verbraucher als einen Beitrag von vielen, um die Empfehlungen der Borchert-Kommission umzusetzen. Hinzu komme eine Reihe weiterer Stellschrauben wie Modell- und Demonstrationsvorhaben zum Stallbau, ein Tierwohl-Monitoring oder auch die Weiterentwicklung des Ordnungsrechts. Behrens sieht in einem Festhalten am Konsens der Borchert-Kommission eine Voraussetzung, um Rechtssicherheit für die Tierhalter zu erreichen und verwies unter anderem auf die Normenkontrollklage des Landes Berlin gegen die Bedingungen in der Schweinehaltung.
Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer kündigte in der Debatte an, er wolle bestehende Förderprogramme für die Tierhaltung "ausbauen und anpassen" und für langfristige Planungssicherheit in diesem Bereich sorgen. Er werde versuchen, die in den Koalitionsverhandlungen genannte Summe von 1,5 Mrd. Euro im Jahr zu mobilisieren. "Dafür werde ich hart kämpfen", bekräftigte der CSU-Politiker mit Blick auf die anstehenden Haushaltsverhandlungen. Die mit der Gesetzesänderung angestrebte Fristverlängerung für die Umsetzung der Tierhaltungskennzeichnung bis zum 1. März 2026 hält der Minister für unerlässlich. Man werde gemeinsam mit den Ländern und der Wirtschaft eine bürokratiearme und praktikable Regelung finden, versprach er. Der Bundestag hat den Entwurf zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause beschlossen werden.
Mehr Tierschutz mit weniger Tierhaltung
Kritik an dem Gesetzesvorhaben kam von der Opposition. Die Grünen-Politikerin Dr. Zoe Mayer warf der Koalition vor, sie sorge mit der zeitlichen Verschiebung der Tierhaltungskennzeichnung für weitere Verunsicherung in der Wirtschaft und beim Verbraucher. Hart ging die Vorsitzende der Agrararbeitsgruppe ihrer Fraktion mit Plänen ins Gericht, künftig bereits Investitionen in Ställe der Tierhaltungsstufe 2 zu fördern. Ein solches Vorgehen diene allein den Exportinteressen der hiesigen Fleischwirtschaft, werde jedoch den Interessen der heimischen Verbraucher nicht gerecht. "Mehr Tierschutz in Deutschland geht nur mit weniger Tierhaltung", so Mayer.
Die agrarpolitische Sprecherin der Linken, Ina Latendorf, äußerte Verständnis für die angestrebte Fristverlängerung, glaubt jedoch nicht, dass die Koalition die Zeit nutzen wird, bestehende Defizite in der Tierwohlkennzeichnung zu beseitigen. Dazu zählt die Abgeordnete insbesondere die Begrenzung der Kennzeichnung auf die Mastperiode beim Schwein und die fehlende Ausweitung auf andere Tierarten sowie ausstehende Einbeziehung der Außer-Haus-Verpflegung.
AfD-Agrarsprecher Stephan Protschka äußerte grundsätzliche Zweifel an einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung und verwies auf die privatwirtschaftliche Kennzeichnung der Initiative Tierwohl (ITW), die sich im Markt bewährt habe. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz kritisierte Protschka als bürokratisch und wettbewerbsschädlich, weil ausländische Erzeugnisse außen vor blieben.
Akt der Vernunft
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) begrüßte die geplante Verschiebung des Inkrafttretens des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes als einen "Akt der Vernunft". "Eine Umsetzung zum 1. August 2025 wäre schlichtweg nicht möglich und hätte weitreichende Folgen, da weniger als 50% der Schweinemastbetriebe aktuell eine gültige Kennnummer haben", erklärte DRV-Geschäftsführer Dr. Christian Weseloh. Er sprach sich dafür aus, bislang angedachte zusätzliche Registrierungs- und Nachweispflichten zu streichen. Stattdessen sollten zwingend etablierte privatwirtschaftliche Initiativen eingebunden werden, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren und effiziente Kontrollen zu haben. "Die Initiative Tierwohl und die Haltungsform-Kennzeichnung des Handels geben den Verbrauchern schon jetzt umfängliche Orientierung", so Weseloh.
Darüber hinaus sieht der DRV es als elementar an, Downgrading zu ermöglichen: "Jeder gute Kaufmann ist bestrebt, seine Ware bestmöglich zu verkaufen. Daher sind Einschränkungen und bürokratische Hürden in diesem Bereich komplett überflüssig", erläuterte der Geschäftsführer. Außerdem dürfe es nicht zu einer Benachteiligung deutscher Ware kommen, indem ausländische Ware von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen werde.
Wichtiger Baustein
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Martin Schulz, warnte davor, das Inkrafttreten des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes womöglich über den März 2026 hinaus zu verschieben. Seiner Auffassung nach wird der Markt den Umbau der Tierhaltung nicht im Sinne der Bauern regeln. Die Zeit müsse genutzt werden, Mängel des Gesetzes zu beheben, etwa das Verbot des Downgradings. Gleichzeitig müsse ein staatliches Registrierungs- und Überwachungssystem privater Kontrollstellen etabliert werden, "anstatt dem Drängen einzelner Akteure nach einem privatwirtschaftlichen - womöglich intransparentem, die staatlichen Steuerungsmöglichkeiten aushöhlendem - System nachzugeben". Zudem muss laut Schulz der Bundestag dafür sorgen, dass nicht unter dem Deckmantel der "Praxistauglichkeit" gesellschaftlich und vonseiten des Handels längst etablierte Ziele für die Entwicklung der Tierhaltung in Deutschland wieder geschliffen würden.
Laut dem Präsidenten der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Mahi Klosterhalfen, könnte die Haltungskennzeichnung ein wichtiger Baustein sein, um den Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung politisch zu begleiten. Als Voraussetzung dafür sieht Klosterhalfen, dass die gesamte Lebensphase der Schweine in die Kennzeichnung einbezogen wird und eine Ausweitung auf weitere Tierarten sowie auf Lebensmittel in Restaurants und Kantinen erfolgt. AgE